Erlebnisbericht Skitourenwoche Dauphine:
Im Zuge des Projektes “ junge Alpinisten“ starteten am 16. April sieben junge, Begeisterte Tourengeher gemeinsam mit den beiden Bergführern Renato Botte und Helmut Gargitter in die Dauphine.
„Wou gian mer hin?“ fragt Renato jeden der zur Tür hereinkommt. Allgemeines Achselschütteln und „ woas net“ sagen. Wir sitzen in der AVS Hauptleitung und kommen zum Vortreffen der Schitourenwoche der jungen Alpinisten. Renato hat drei Karten mitgebracht, eine liegt groß und aufgebreitet vor ihm – eine rhetorische Frage also. Die Karte zeigt das Gebirgsmassiv der Dauphine rund um den Barre d‘ Ecrins: dort geht’s hin. Mit raschen Handbewegungen zeigt er uns die Touren auf der Karte, zählt die Tage und die Höhenmeter. Nach kurzer Kalkulation ist er bei 4 Tagen und 8000 Höhenmetern. „Uan Tog fahlt nou“ sagt er. „Renato isch des net genua?“ „Ok schaug m`r amol“ – wir besprechen noch kurz die Ausrüstung und gehen gemeinsam noch auf ein Bier zum Kennenlernen.
Am Sonntag treffen wir uns um sieben Uhr in Bozen packen die Ausrüstung in den Bus, und fahren Richtung Turin. Auf einer Raststätte in Turin stoppen wir. Der Bus verliert Öl – zu viel Öl! Müssen wir jetzt wirklich noch umkehren? Eigentlich wollten wir ja Schibergsteigen und nicht Autofahren. Ein paar Telefonate und Tipps später hoffen wir das Problem behoben zu haben, fahren weiter Richtung Sestriere, über die Grenze vorbei am Nobelschiort Serra Cabballet nach Briancon, über den Pass nach Torret. Hat gehalten! Glück gehabt! Zum ersten Mal sehen wir das Gebirgsmassiv der Dauphine. Andächtig und sprachlos stehen wir davor.
Unser Stützpunkt – die Alpe Villar d‘ Arene Hütte
Wir steigen noch am gleichen Tag auf zur Alpe Villar d‘ Arene Hütte (2077). Dort wollen wir zweimal übernachten, am ersten Tag die Grand Ruine besteigen und dann am zweiten Tag die Überschreitung über den Pic de Neige Cordier zum Glacier Blanc angehen.
Mit ein wenig Bammeln vor den Blutwürsten (haben wir ja auch den Bericht der jungen Alpinisten 2003 gelesen) betreten wir die Hütte. Nach einem angenehmen Abendessen beginnen wir mit der Tourenplanung, wobei uns Helli und Renato unterstützend zur Seite stehen. Die Grand Ruine ist ein imposanter Gebirgskamm mit steil abfallenden Hängen auf allen Seiten. Das Wetter soll weiter gut bleiben, allerdings ist es sehr warm. 0 Grad auf 3500 H m, wir müssen früh aufbrechen. Es geht also gleich zur Sache.
Grand Ruine
Nach einem frühmorgendlichen Frühstück stehen wir mit Stirnlampe auf den Schiern. Zuerst eine kurze Abfahrt von ca. 100 Höhenmetern, die durch die Finsternis und die ungeschlossene Schneedecke kein wirkliches Vergnügen ist. Anschließen gilt es durch ein flaches endlos scheinendes Tal bis an den Talschluss zu gehen. Bei dämmerndem Morgenlicht entdecken wir die geplante Aufstiegsspur. Schnell wird klar, dass ohne Harscheisen das Weiterkommen in diesen steilen Rinnen nur schwer möglich sein wird. Also Eisen montieren und weiter geht’s. Wir steigen schnell auf und erreichen das obere Gletscherplateau, das uns die Sicht zum Hauptgipfel frei gibt. Wir lassen die Ski unterhalb der Gipfelrinne und steigen nur mit Schuhen zum Gipfel der Grand Ruine auf. Geschafft, fantastisch! Gletscher wie weit das Auge reicht! Zum ersten Mal haben wir freien Ausblick auf das, was wir uns die nächsten Tage vorgenommen haben (Pic de Neige, Dome de Neige Cordier). Nach kurzer Pause fahren wir über die steile Aufstiegsspur ab. Firn und aber auch teilweiser Schneematsch machen uns klar, dass wir nicht zu spät aufgebrochen sind.
Pic de Neige Cordier
Also sitzen wir auch am nächsten Tag wieder um 4 Uhr beim Frühstück. Was für ein Urlaub! Wir schauen uns noch einmal die Route an und gehen mit unserem gesamten Gepäck die Überschreitung zum Glacier Blanc an. In der Nacht erweist sich die Orientierung als problematisch. Erst die Dämmerung erleichtert das Vorwärtskommen und zeigt uns unser Ziel. Wir müssen uns beeilen, wollen wir doch die Ersten sein, die an diesem Tag in die 45° steile Rinne zum Pic d’Arsine einsteigen. Dies erweist sich als gute Entscheidung: Diese Rinne ist schon früh morgens voll der Sonneneinstrahlung ausgesetzt und zeitweise gehen Steine und Eisbrocken nieder. Oben angekommen (3217), schnallen wir die Schier wieder an und gehen dem Grad entlang zum Gipfelhang des Pic de Neige Cordier (3614). Ski und Rucksack belassen wir wieder etwa 100 hm unterhalb des Gipfels und steigen mit Steigeisen durch die Steilrinne zum Gipfel. Nicht sehr gemütlich hier – wir stehen nebeneinander auf einem schmalen Grad, „das wird wohl der Gipfel sein“. Aber was für ein Ausblick! Bis auf Wolken gibt es alles zu sehen was das Bergesteigerherz begehrt. Ein Handschlag, ein Foto und schon steigen wir wieder ab, schnallen die Schier an, und fahren nur kurz bis zum Abstieg zum Glacier Blanc. Wie Renato uns sagt, war hier bis vor einigen Jahren eine Firnrinne. Muss wohl die Klimaerwärmung sein, die hier eine Felswand geschaffen hat. Wir sind froh, dass wir zwei 60 Meter Seile dabei haben, mit denen wir uns gemütlich abseilen können. Das Abseilen mit Ski auf den Rücken ist für viele für uns neu, ist aber eigentlich wie immer.
Wir fahren über dem Glacier Blanc ab zum Refuge de Glacier Blanc und kommen dort gegen 13 Uhr an. Mit den Schi bis vor die Hütte, kein Gegenanstieg, kein Schitragen – so sollte es immer sein! Wir liegen den ganzen Nachmittag vor der Hütte. Ungetrübter Sonnenschein, vor uns gewaltige 4000er – jeder einzelne eine Versuchung wert, und gleich neben der Hütte ein mächtiger Gletscherbruch. Wir versuchen uns auszuruhen denn am nächsten Tag erwartet uns der Dome de Neige des Ecrins, unsere Königstour.
Dome de Neige des Ecrins
Am Morgen alles wie gehabt. Schon ein wenig routiniert stehen wir wieder gegen 4:30 mit Stirnlampen und Klettergurt vor der Hütte auf unseren Skiern. Die Sonne hat ihren Teil dazu beigetragen, dass die Südhänge, über die wie nun aufsteigen müssen, hart gefroren sind. Funktioniert eigentlich wunderbar. Zum Aufregen wären wir sowieso zu müde. Wir gehen den ganzen Gletscher entlang, ein langer Weg aber nach anfänglichen steilen Passagen recht flach und einfach. In der Nacht durch diese beeindruckende Gegend zu gehen ist etwas Einmaliges. Schön langsam wird es hell und wir haben auch schon den Gletscher überquert. Die letzten 800 Hm bis zum Gipfel sind wieder außerordentlich steil und führen durch Gletscherbrüche. Hier ist Vorsicht geboten. Wir queren den Gipfelhang von rechts nach links bis unterhalb des Gipfelkamms, und anschließend noch einmal in umgekehrter Richtung, bis wir schließlich bei der Randspalte unterhalb des Gipfels stehen.
Heute nehmen wir den Rucksack aber mit, wir wollen ausnahmsweise einmal gemütlich am Gipfel essen. Es zahlt sich auch wirklich aus. Am Dome de Neige de’s Ecrins (4015), dem Wintergipfel des Barre des Ecrins (4102) sitzen wir nun und träumen vor uns hin. Noch Zeit für ein paar Scherze und es geht auch schon wieder weiter. Wir haben ja heute noch einiges vor uns!
Wir fahren den Gipfelhang ab und haben einige Mühe den Gletscherspalten auszuweichen. Unten angekommen, überqueren wir den Gletscher bis zu einer Stelle, an welcher sich ein kurzer Klettersteig befindet, der uns in eine steile Rinne führt. Wir steigen über diesen Klettersteig ab, wobei wir uns die letzten Meter abseilen. Der Schnee unterhalb des Klettersteiges ist allerdings stark gefroren und es ist deswegen zu gefährlich hier abzufahren. Also steigen wir einzeln zu Fuß ab. Plötzlich Aufregung. Helli entdeckt am Ende der Rinne, im unwegsamen Gelände, ein paar herrenlose Ski im Schnee und meint, dass einem von uns etwas passiert ist. Wir sind aber vollzählig und die Ski gehören keinem von uns!
Nach diesem Schreck fahren wir wieder mit Skiern über den Glacier de Bonne Pierre. Der Schnee hört auf, wir sind aber noch nicht da. Da wir uns entschieden haben, im Refuge de Chatelleret zu übernachten haben wir noch ein ganzes Stück vor uns. Es sind zwar nur mehr 350 Höhenmeter aber der Weg ist weit. Es ist heiß, wir müssen tragen und überhaupt ist die Tour eigentlich ja schon vorbei. Nützt nichts, da müssen wir jetzt durch.
Diesen Teil der Strecke erledigt jeder auf seine Weise. Einige schneller, einige langsamer, aber schließlich und endlich kommen wir alle an und sind alle müde. Was für ein Tag, was für ein Berg, was für eine Tour!
Der Kreis schließt sich
Am Abend, über der Landkarte liegend, suchen wir nach einer letzten Tour um unseren Kreis zu schließen. Wir entscheiden uns unterhalb des Col du Pave über eine Scharte den Gebirgskamm zu überqueren und dann zur Alpen Villa d‘ Arenen Hütte zurückzukehren, um zu unserem Bus abzusteigen.
Nach einer unangenehmen Nacht im feuchten Matratzenlager, gehen wir wieder in gewohnter Manier mit bestem Wetter los. Wir steigen auf bis zum Gletscher, gehen unterhalb des Refuge de Promontoire entlang und sehen die Scharte schon vor uns. Die letzten Meter schnallen wir wieder die Steigeisen an. Ist besser so, denn es ist verdammt steil hier. Nach ein paar Fotos erwartet uns eine wunderschöne Firnabfahrt. Wir finden die richtige Rinne zum Abfahren und sind bald bei der Schutzhütte, in der wir schon die ersten zwei Nächte verbracht haben. Allerdings ist der Schnee stark zurückgegangen. Das heißt, wieder tragen, ist jetzt aber jeden egal. Wir habens geschafft, wir hatten supper Wetter, supper Touren und sehr, sehr viel Spaß.
Danke an Helli und Renato für diese Tage, die gewonnene Erfahrung und die tollen Erlebnisse, danke an die AVS Jugend für diese gelungene Aktion, und danke an die Gruppe für diese Woche.
Bernhard Erb,