Jugendführerfahrt in ein Bersteigerparadies (2002).
Hier einige Eindrücke von er überaus erlebnisreichen Jugendführerfahrt im Norden Kanadas!
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Baffin Island ist das Land der Gletscherriesen und steilen Granitwände. Gerade deshalb lässt Baffin Island das Herz eines jeden Bergsteiger höher schlagen. Die Kletterer reizen die steilen Wände, die einige hundert Meter in die Höhe ragen. Die Hochtourengeher besteigen die markanten Gipfel und die Wanderer folgen dem Trekkingpfad Inuit Trail, der durch ein langes Tal bis zum Summit Lake führt. Baffin Island ist im Gegensatz zu anderen Bergregionen noch nicht überrannt, nur 200 Besucher im Jahr kommen in den Nationalpark. Einöde, Wildnis, ungezähmte Naturgewalten erwarten hier die Bergsteiger. Diese Mischung von bergsteigerischer Herausforderung und Entdeckungsdrang reizte auch einige Südtiroler Jugendführer. Sie nahmen an der Jugendführerfahrt teil, die geradewegs in das Herz von Baffin Island führte.
Baffin Island liegt im Nordosten von Kanada. Die fünftgrößte Insel der Welt ist nur sehr dünn besiedelt. Grund dafür ist wohl die unwirtliche Gegend. Im Sommer klettert die Quecksilbersäule im Durchschnitt auf 10 Grad plus. Im Winter hingegen liegt die Durchschnitttemperatur bei 23 Grad Minus. Eine Jugendführerin und 13 männliche Jugendführer-Kollegen stellten sich dem Abenteuer Baffin Island. Ziel war das Auyuittuq-Gebirge, das nach dem Karakorum das größte Granitgebirge der Erde ist. Ende Juni war es soweit.
Nach intensiver Vorbereitung startete die Gruppe nach Baffin Island. Baffin Island ist kein Land, in dem man auf die Annehmlichkeiten der Technik zurückgreifen kann. Auch gibt es keine Träger wie in anderen Berggebieten, die den Bergsteigern helfen, das schwere Gepäck zu transportieren. Wer sich auf das Abenteuer Baffin Island einlässt, der muss damit rechnen, auf sich allein gestellt zu sein.
Für die Südtiroler Gruppe war dies eine ganz besondere Herausforderung. Nachdem sie in Iqaluit, dem Hauptort von Baffin Island, die letzten Einkäufe erledigt hatten und Bekanntschaft mit den sehr freundlichen und hilfsbereiten Inuits gemacht hatten, hieß es bald wieder Abschied nehmen. Die Berge riefen! Mit dem Boot wurden sie in den Pangnirtung Fjord gebracht. Hier ging die Plackerei los. Jeder der Teilnehmer hatte zwei Rucksäcke zu je 25 Kilogramm mit Lebensmitteln, Ausrüstung und Kleidung dabei. Diese Rucksäcke mussten 40 Kilometer taleinwärts transportiert werden. Die Steigspuren führten durch Bäche, lockere Moränen, Sand und Schlamm. Jeder entwickelte seine eigene Strategie, wie er am „besten“ seine zwei Rucksäcke zum nächsten Etappenziel buckelte.. Vier Tage benötigten die jungen Bergsteiger, um die insgesamt 120 Kilometer zurückzulegen. In der Nähe des Summit Lake errichtete die Gruppe ihr Basislager.
Lagerleben
Mit ihrem Gepäck hatte die Südtiroler Gruppe wenig Glück. Zwei Tonnen mit Lebensmitteln und Ausrüstungsgegenständen erreichten nicht den Flughafen in Montreal. Das Problem Ausrüstung konnte noch relativ einfach gelöst werden. Schwieriger war es schon, den Lebensmittelvorrat aufzufüllen. Ausgerechnet die Tonne mit den Nudeln war verloren gegangen! An diese verlorenen Nudeln sollten sich die Teilnehmer noch lange erinnern. Stand doch von nun an hauptsächlich Polenta auf dem Speiseplan. Da erwies sich die improvisierte Geburtstagsfeier mit geschmuggeltem Südtiroler Speck als wahre Köstlichkeit!
Gemeinsames Gipfelerlebnis
Das erste gemeinsame Ziel der Gruppe war die Besteigung des Breidablik. Alle 14 Teilnehmer wollten gemeinsam diesen Gletscherriesen erklimmen. Wer nun meint, man könne eine Gletscherbegehung auf Baffin Island mit einer Gletscherbegehung bei uns vergleichen, der hat weit gefehlt.. Nach Infos der Parkverwaltung war die letzten 10 Jahre kein Mensch mehr auf diesem Berg. Schon der Zugang über den Gletscher erwies sich als besonders anstrengend. Durch hüfthohen Schnee musste sich die Gruppe erst einmal den Weg zur Eisflanke bahnen. Jeder Schritt war spannend, es kam auch vor, dass der Spurer mir nichts dir nichts in einer Gletscherspalte verschwand. Über die 45 – 50° steile Eisflanke erreichten alle Bergsteiger den Gipfel. Die Mühe hatte sich gelohnt, am Gipfel öffnete sich ein gewaltiger Rundblick auf eine unendliche Bergwelt. Felsberge mit riesigen unbestiegenen Wänden, endlose Gletscherbecken, Riesenmoränen, Eisflanken, Herausforderung für die nächsten Bergsteigergenerationen. Euphorie, Enthusiasmus und ein tiefes Glücksgefühl, hier heroben stehen zu dürfen, machte sich breit.
Auf dem Rückweg ging es leider nicht mehr so glimpflich ab. Ein Teilnehmer wurde auf dem letzten Stand von einem Schneerutsch erfasst und nach unten gerissen. Er zog sich dabei einen Beinbruch zu. Mit einigem Glück und guter Zusammenarbeit konnte er nach wenigen Stunden mit dem Expeditionsarzt das Tal verlassen.
Erstbesteigungen und andere Bergerlebnisse
Die Gruppe wusste ihren Freund in sicheren Händen und fasste wieder ihre Ziele ins Auge. Der Mount Asgard ist sicher der bekannteste Berg auf Baffin Island und genau dorthin wollte die Gruppe. Ausrüstung und Lebensmittel für vier Tage wurden im Rucksack verstaut und mit „nur“ 20 Kilos auf dem Rücken ging es in das nächste Abenteuer. Ein besonders schöner Schneehase leistete den Abenteurern Gesellschaft, eines der wenigen Tiere, die sie im Park zu Gesicht bekamen. Der erste Teil führte über eine steile Moräne, zwei Schritte vor, einen zurück, zum Caribou Gletscher hinauf. Oben angelangt, querte die Gruppe den eher flachen, schneebedeckten Gletscher. Hie und dort unterbrachen Eiswasserbäche die Oberfläche und verschwanden dann wieder im ewigen Eis. Am späten Nachmittag erreichten die Jugendführer eine Moräne unter dem mächtigen Mt. Asgard, wo sie ihre Zelte aufschlugen. Pläne wurden geschmiedet, Ziele und Herausforderungen gesucht. Für die einen war der Mt. Asgart das Ziel, andere versuchten sich an einem bis dahin unbestiegenen Berg.
Es wird im Juli nie Nacht in dieser Gegend, die nördlich des Polarkreises liegt, deshalb spielte die Uhrzeit keine so wichtige Rolle, sehr früh mit vollem Magen stapften 8 Abenteurer über das Gletscherbecken Richtung Eisrinne, die zum ausgewählten Gipfel führt. Zügig zogen sie ihre Spur zum untersten Felssporn. Dort wurde die Eisausrüstung verstaut und mit den Kletterschuhen weitergeklettert. Zunächst führt die Route über große Felsschuppen und Geröll. Nur sehr vorsichtig kamen die Kletterer weiter. Dann gelangten sie zu festen rötlichen, aber steilen Granitwänden. Mit Friends, Klemmkeilen und Haken wurde abgesichert. Die Gruppe suchte nach einer imaginären Linie auf den Gipfel und war erfolgreich. Ein kleiner Steinmann mit einer Plastikrolle sind die einzigen Spuren, die die jungen Bergsteiger hinterlassen haben. An den freudestrahlenden Augen der Erstbesteiger merkt man, dass der Piz Stieglitz eine einmalige Erinnerung für sie bleiben wird.
Andere wiederholten eine Route im 7. Schwierigkeitsgrad auf den Sukaq Nasaq, den“Zuckerhut“. Sie erzählten von einer Risslinie, die vom Einstieg bis zum Gipfel zieht. Fester Fels, klirrende Kälte, aber gute Absicherungsmöglichkeiten mit Klemmgeräten lassen diese 2. Begehung von der Tour 13 Pieces of Candels zu einem einzigartigen Erlebnis werden.
Von diesen Erfolgen motiviert, versuchten einige Jugendführer noch eine neue Kletterroute zu eröffnen, was ebenfalls gelang. Der Name dieser Kletterroute im 6. Schwierigkeitsgrad lautet „Mosquito“. Denn die Mücken sind bei Windstille ein ständiger Begleiter auf Baffin Island.
Zufrieden mit dem Erlebten zogen die Jugendführer wieder talauswärts.
Fazit
Für die Teilnehmer war die Jugendführerfahrt nach Baffin Island eine tolle Erfahrung. Nicht nur, weil sie auf eine gute bergsteigerische Leistung zurückblicken können. Auf Baffin Island erlebt man hautnah die gewaltige Kraft der Natur. Fels und Eis, so weit das Auge reicht. Kleine Rinnsale wurden im Laufe des Tages aufgrund der Schneeschmelze zu reißenden Sturzbächen. Das Wetter war genauso unberechenbar wie die großen Gletscherriesen. Schnell konnte sich der Himmel verdüstern und Nieselregen einsetzen. Das Donnern der abbrechenden Schneemassen und Gletscherbrüche war die ständige Begleitmusik der Gruppe. Und einmal zeigte der Mount Thor, welche Kraft in ihm steckt. Eine haushohe Felsschuppe löste sich vom Berg. Dabei entstand eine riesige Staubwolke, die das ganze Tal einhüllte. In solchen Situationen merkt man, wie klein und unbedeutend der Mensch eigentlich ist. Die Expeditionsteilnehmer kehren mit einzigartigen Erlebnissen und vielfältigen Eindrücken nach Südtirol zurück die Dank der großzügigen Unterstützung des Alpenvereins und der Firma VAUDE möglich waren. (Text Marion Treibenreif)